oder
ein kleiner Exkurs in die schwierige Welt der Kommunikation:
Zugegeben, es wirkt im ersten Moment sicherlich wie eine unglaubliche Provokation, wenn ich behaupte, dass die meisten Verhaltensauffälligkeiten eines Hundes in nur einer einzigen Trainingseinheit korrigierbar seien. Und wenn man dann noch meinen Zusatz liest, dass es für den Therapieerfolg allerdings einer Voraussetzung bedarf, nämlich einer guten Therapietreue des Kunden. Dann wirkt letzteres wie das Kleingedruckte in einem Versicherungsvertrag. Woraufhin der Leser geneigt ist zu sagen: „Aha, das ist also sein Hintertürchen“. Letzteres lässt sich aber leicht erklären: Was nützt die tollste Therapie, wenn sich der „Patient“ nicht daran hält. Aber viel mehr ist damit auch gar nicht gemeint.
Es gab Zeiten, da war ich regelrecht frustriert, wenn ich wieder mal in das ungläubige Gesicht eines Kunden schauen musste, weil er das, was ich ihm gerade versucht hatte zu erklären, offensichtlich nicht verstanden hatte oder sogar ablehnte. Und das, obwohl ich fest davon überzeugt war, dass ich es – mit Verlaub – „idiotensicher“ und logisch getan hatte.
Meine Erläuterungen zu den Ursachen, warum der Hund eine Verhaltensauffälligkeit zeigt, wird in der Regel noch akzeptiert. Wenn ich dann aber meinen Therapieansatz erkläre, scheint die notwendige Botschaft jedoch nicht anzukommen. Aber warum nicht? Drücke ich mich so unverständlich aus, oder ist das, was ich sage, derart unglaubhaft?
Erst nachdem ich den Altmeister der Kommunikation Paul Watzlawick gelesen hatte, war mir klar, dass die Nachricht, die der Sender dem Empfänger schickt, so einige Hürden zu nehmen hat, bis sie als diejenige beim Empfänger ankommt, als die sie vom Sender auch gemeint war. Ob sie diese Hürden meistert, hängt nämlich nicht von ihrem Inhalt ab, sondern von der Beziehung zwischen Sender und Empfänger, und insbesondere von der Fähigkeit des Senders, die “Empfangsantennen” des Empfängers für die in der Nachricht enthaltene Botschaft empfänglich zu machen. Erst wenn der Empfänger bereit ist, eine Botschaft zu empfangen, hat die Botschaft eine Chance, empfangen zu werden. Und erst wenn die Botschaft angekommen ist, kann der Sender sich sicher sein, dass auch die Nachricht angekommen ist und verstanden wurde.
Also war mir klar, dass das Problem nicht der Kunde oder sein vermeintlich mangelndes Verständnis ist, sondern ich und meine mangelnde kommunikative Fähigkeit. Wie heißt es so schön? Es kommt nicht d‘rauf an, was du sagst, sondern wie du‘s sagst!
Aber es gibt noch eine zweite Wahrheit, warum manchmal die Nachricht den Empfänger verfehlt oder nur verfälscht erreicht: Der Empfänger hat nämlich bereits ein oftmals unterschätztes Vorwissen und bewertet und vergleicht daran alle neuen Informationen. Die neuen werden also immer durch die Brille der alten gesehen. Und es bedarf schon einer mentalen Reife, bereit zu sein, die alte Brille auch einmal beiseite zu legen und somit unbeeinflusst das Neue zu betrachten. Das klingt zwar einfach, ist es aber gar nicht. Denn das bedeutet immerhin, bereit zu sein, Vertrautes und vielleicht sogar lieb Gewordenes auf den Müllhaufen der Irrtümer zu werfen. Das kommt nicht selten dem Gefühl einer Niederlage gleich oder dem Eingeständnis, sich bisher geirrt zu haben. Und das mag das Gehirn, das auf Erfolg programmiert ist, nun mal gar nicht. Deshalb klammert der Mensch sich oftmals an lieb gewordene Überzeugungen, obwohl der Verstand ihm schon Hinweise gibt, es lieber sein zu lassen.
Warum gelingt es mir also manchmal nicht oder nicht sofort, dem Kunden oder der Kundin meinen Therapieansatz verständlich zu machen? Oder warum erscheint meine Aussage bezüglich der nur einen notwendigen Trainingseinheit so unglaublich oder kommt als Botschaft nicht an und stößt hier und da sogar auf empörte Ablehnung, selbst bei Fachleuten?
Die Antwort findet sich in einer Metapher: Das Wissen der Kunden ist ja – wie zuvor erwähnt – nicht auf dem Stand Null, wenn sie mich kontaktieren; vergleichbar mit einem leeren Wasserglas. Im Gegenteil, wenn ich den typischen meiner Kunden als Maßstab nehme, dann haben sie in der Regel bereits eine lange Leidensgeschichte an erfolglosen Hundeschulbesuchen hinter sich, so dass sich in ihrem Glas schon allerhand Wasser aus vielen verschiedenen Wissens-Quellen befindet. Allerdings enthält dieses Wasser, wie meine Analyse in der Regel ergibt, meistens nur Informationen über die Ausbildung eines Hundes und nicht über seine Erziehung. Beides sind aber sehr unterschiedliche Wässer. Das eine schmeckt süß und das andere bitter. Da meine Therapiemethode aber ihren Ansatz ausschließlich in der Erziehung und nicht in der Ausbildung hat, sollen die Kunden bei mir nun plötzlich bitteres statt süßes Wasser trinken. Das stößt verständlicherweise zunächst auf Ablehnung oder zumindest auf Skepsis. Selbst wenn sie bereit sind, das bittere Wasser vorsichtig zu probieren, ohne aber zuvor das süße auszuschütten, wird sich beides nur zu einem bitter-süßlichen Wasser vermischen. Die Wirkung des bitteren verliert dadurch jedoch seine Kraft.
Deshalb ist es oftmals eine große Herausforderung, bei meinen Kunden die Bereitschaft zu erwirken, bevor sie mein Wasser trinken, das alte einfach wegzuschütten. Aber das ist eine heikle Angelegenheit. Denn ich verlange von ihnen nicht weniger, als dass sie das süße Wasser, was sie vielleicht sogar mit viel Geld und Zeit bezahlt haben, in seiner Wirksamkeit infrage stellen sollen. Und da komme ich sehr schnell in die gefühlte Nähe der Diskreditierung der anderen „Wasser“- oder Wissens-Quellen. Aber das ist gar nicht meine Intension. Diese liegt vielmehr nur in der Absicht, ihnen zu verdeutlichen, dass die Lösung ihrer Probleme über den Weg der „bitteren“ Erziehung des Hundes in den meisten Fällen viel effizienter ist als der über die „süße“ Ausbildung.
Als Beispiel nehme ich gerne meine Antwort auf die Frage, ob einem Hund das Verbellen anderer Hunde mittels Leckerli abgewöhnt werden kann?: Möglicherweise, wenn es gelingen sollte, beim Hund durch assoziatives Lernen eine Konditionierung zu bewirken, dass beide Stimuli zusammenhängen. Genauso wie es möglich ist, einem Elefanten beizubringen, sich zum Affen zu machen und auf zwei Beinen zu tanzen. Es ist aber ein sehr mühsamer und kostspieliger Weg. Das eigentliche Dilemma ist, dass der Hund am Ende den Sinn des „Klappe-Haltens“ gar nicht verstanden hat, sondern nur, dass er, wenn er die „Klappe hält“, ein Leckerli bekommt. Wesentlich effizienter ist das Ziel doch über seine Erziehung erreichbar, indem Herrchen oder Frauchen ihm die Ressourcenverantwortung und damit seinen Entscheidungsspielraum nehmen. Und sofort „hält er die Klappe“, weil er keinen Grund mehr sieht, andere Hunde als Konkurrenten wahrzunehmen und verbellen zu müssen.
Die Hundebesitzer(innen) kommen in der Regel ja nicht zu mir, weil ihre Schutzbefohlenen bestimmte Kommandos wie „Sitz, Platz und Co.“ nicht befolgen, die in einer Ausbildung sehr effizient durch Konditionierung eingeübt werden können, sondern weil die Hunde nicht sozialisiert sind und sich demzufolge nicht an notwendige Verhaltensregeln halten. Und letztere können nun einmal nicht mittels einer Ausbildung vermittelt werden, sondern bedürfen der Erziehung, also des „bitteren“ Wassers.
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