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Warum schreibe ich meine Fachartikel?
Die Reaktionen einer Frau Anja Schm. und einiger anderer auf meinen letzten Artikel veranlassen mich, nun doch noch einmal etwas Grundsätzliches anzumerken zu meinen hier in lockerer Abfolge veröffentlichten Fachartikeln und der damit verfolgten Absichten. Auch wenn ich dies schon einige Male getan habe; aber offensichtlich muss man es hin und wieder erneuern, da die Reaktionen zeigen, dass es nicht offensichtlich ist, um welches Stadium der Verhaltensauffälligkeit es sich bei den Hunden handelt, zu deren „Therapie“ ich in meinen Beiträgen etwas sagen will (ich schreibe “Therapie” deshalb in Anführungszeichen, weil sie laut Definition ein Krankheitsbild voraussetzt, was in meinen beschriebenen Fällen aber nur sehr selten der Fall ist und deshalb stellvertretend für eine Form der Resozialisierung steht).
Ich werde seit vielen Jahren entweder von den HundehalterInnen selbst oder hin und wieder auch von TierärztInnen hinzugezogen, wenn es um scheinbar nicht mehr „therapierbare“ Fälle extrem verhaltensauffälliger Hunde und deren möglicher Sozialisierung oder Resozialisierung geht und die Entscheidung über ihre weitere Zukunft ansteht. Exemplarisch könnte ich den 70kg Rottweiler nennen, bei dem, wie man lachserweise oftmals formuliert, „nur noch das Weiße in den Augen zu sehen ist“, und den der Halter oder die Halterin selbst nicht mehr wagt, aus dem Zwinger zu holen. Es handelt sich um Tiere, bei denen sich die Verhaltensauffälligkeit durch ihr ständig “von Erfolg belohntes Verhalten” bereits derart manifestiert hat, dass sich oftmals niemand mehr an sie heranwagt oder nicht mehr in Eigenregie gehändelt oder gebändigt werden können. Nicht selten steht als Mindestentscheidung an, den Hund abzugeben. Es sind aber bedauerlicherweise auch Fälle darunter, bei denen es zu sehr ernsthaften Attacken des Hundes gegenüber Kindern gekommen ist und das Einschläfern des Tieres zur Entscheidung ansteht. Es handelt sich also um Hunde, die durch ihr Verhalten potentiell die Amtstierärztin auf den Plan rufen.
Mit anderen Worten: Ich spreche in meinen Beiträgen nicht typischerweise von der Erziehung eines „harmlosen“ Labradors, der lästigerweise an der Leine zerrt und Frauchen damit nervt, nicht auf ihre Kommandos zu hören. Sondern ich spreche überwiegend von den Fällen, deren Sozialisierung im Vorfeld allgemein nicht mehr oder kaum noch als realistisch bewertet wurden.
Hinzu kommt, dass insbesondere in den letzten Jahren die Anzahl derjenigen HundehalterInnen, die mich rufen, deutlich zugenommen hat, die zuvor bereits mehrmals erfolglos eine Hundeschule um Hilfe gebeten hatten. Das heißt, frappierend auffallend ist, dass die Erziehung, Sozialisierung oder Resozialisierung von vielen Hundeschulen offensichtlich nicht beherrscht werden.
Da ich mir in solchen Fällen die von den Hundeschulen angewendeten Mittel und Methoden schildern und beschreiben lasse, fiel mir auf, dass dabei ausschließlich solche der Ausbildung zur Anwendung gekommen sind, wozu unter anderem das Belohnen, positive Bestärken, Klickern usw. gehören. So dass ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die Verhaltensauffälligkeiten der Hunde wahrscheinlich durch die TrainerInnen gar nicht als Erziehungssachverhalt diagnostiziert werden. So unglaublich es auch klingen mag, aber zu einem anderen Schluss kann man vernünftigerweise nicht kommen, wenn man weiß, dass die beschriebenen Methoden ausschließlich geeignet sind, eine Konditionierung zu bewirken.
Um eine nachhaltige Erziehung bzw. Sozialisierung eines Hundes zu erreichen, bedarf es aber zwingend einer Erziehungsmethode und keiner Methode der Konditionierung, zu der alle Ausbildungsmethoden zu rechnen sind. Den Unterschied und eine ausführliche Begründung habe ich in meinem Buch DIE ERZIEHUNG VERHALTENSAUFFÄLLIGER HUNDE UND DIE GRÜNDE IHRES SCHEITERNS beschrieben.
Und so kam es dazu, dass mich Kundinnen ermutigt haben, meine Erfahrungen und mein Wissen doch im Netz der sozialen Medien kundzutun und zur Diskussion zu stellen.
Dabei war mir natürlich bewusst, dass ich damit wahrscheinlich gegen den Zeitgeist des angeblich „modernen“ Hundetrainings (was dies auch immer bedeuten mag) verstoße, der momentan sehr geschickt für sich die allgemeine Stimmung gegen Tierquälerei, Tierversuche und das Klischee jugoslawischer Tierheime ausnutzt. Wie diese Stimmung präsent ist, wird an solchen Reaktionen von Leserinnen deutlich, wenn sie mir unterstellen, ich würde der Gewalt gegenüber Hunden das Wort reden. Abgesehen davon, dass ich das in meinen Beiträgen überhaupt nicht tue – und wenn, dann spreche ich von Korrektur oder Bestrafung, die ich aber eindeutig definiert habe und die mit der assoziierten Gewalt, wie die junge Frau es offensichtlich hineininterpretiert, gar nichts zu tun hat (also bitte verstehendes Lesen anwenden und nicht hineininterpretieren). Allerdings erfüllt natürlich Bestrafung schon laut Definition das Kriterium der Gewalt. Das ist auch das, was die Hundeeltern gegenüber ihren Welpen als Erziehungsmittel anwenden. Ich bitte aber in diesem Zusammenhang auch einmal in Erwägung zu ziehen, ob nicht das Verhalten des Halters, den Hund nicht zu erziehen (ansonsten würde der Hund sich ja nicht so verhalten wie er sich verhält) und dadurch ständig in Konflikte zu bringen, nicht eher das Kriterium der Gewalt (zumindest psychisch) erfüllt.
Ein Hund, dem sprichwörtlich „das Weiße im Auge steht“ und ein vierjähriges Mädchen in den Kopf gebissen hat, kann nicht mehr mit Leckerli und positiver Bestärkung oder sonstigem wohlfeilklingenden Firlefanz von seinen Aggressionen befreit werden. Das ist absoluter und grobfahrlässiger Unfug. Bei den Hunden, von denen ich in meinen Beiträgen rede, ist der Verhaltensgrund bereits derart manifestiert, dass er unmöglich durch eine Gegenkonditionierung korrigiert geschweige denn beseitigt werden könnte. Und da eine Sozialisierung oder Resozialisierung nur über die Beseitigung des Verhaltensgrundes des Tieres erreichbar ist, der immer und grundsätzlich auf seinem Sicherheitsbedürfnis basiert, ist jeglicher Konditionierungsversuch mittels ablenkender Maßnahmen, wie es alle Formen der Belohnung sind, ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Verschärfend hinzu kommt, dass solche Konditionierungs- oder Ablenkungsversuche und deren scheinbaren Erfolge ein nicht zu überschätzendes Risiko darstellen, indem eine scheinbare Verhaltensänderung nur vorgetäuscht wird, der tatsächliche Verhaltensgrund aber nicht beseitigt wurde, und das aggressive Verhalten sich in Konfliktsituationen wieder Bahn bricht. Das heißt, hier wird eine Zeitbombe produziert. Einem solchen Hund muss zwingend und energisch der Entscheidungsspielraum eingeschränkt werden. Da geht es nicht mehr darum, ihm eine “Handlungsalternative anzubieten” (wie die Verfechter der falschen „modernen“ Hundeerziehung zu gerne formulieren), sondern ihm sehr deutlich zu zeigen und zu demonstrieren, wo seine Grenzen sind. Letzteres gilt insbesondere hinsichtlich eines absoluten No-Go bezüglich seines aggressiven Verhaltens gegenüber Kindern. Und diesbezüglich bin ich mir auch des Rückhalts der Amtstierärztin sicher.
Der jungen Frau, die sich als Reaktion auf meine Beiträge mit Äußerungen wie, das sei Schwachsinn, was ich schreibe, zu Wort meldete, würde ich einmal raten, an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen, bei der sich ein Hundehalter wegen eines Überfalls seines Hundes auf ein kleines Kind zu verantworten hat. Dann würde ich gerne ihren „Mut“ bewundern wollen, wenn sie gegenüber der jungen Familie, die mit im Gerichtssaal sitzt, deren Liebstes in ihrem Leben unvorstellbares Leid angetan wurde, argumentieren wollte, dass eine autoritäre Erziehung eines Hundes (und für nichts anderes plädiere ich in meinen Beiträgen) für sie nicht infrage käme.
In die gleiche Kerbe hauen bedauerlicherweise auch solche unüberlegten Äußerungen eines Geschäftsführers des VDH, wenn er unkommentiert und ohne Relativierung Äußerungen macht wie: „Einem Hund alles zu verbieten, finde ich nicht mehr artgerecht. Hunde müssen ihr normales Verhalten ausleben dürfen.“ Solche Äußerungen müssen, wenn sie schon offensichtlich zur Befriedigung des Zeitgeistes gemacht werden, um Anerkennung zu erhaschen, zumindest relativiert werden. Ohne zu differenzieren und damit in Kauf zu nehmen, dass der Zuhörer auch einen per Gesetz als gefährlich oder potentiell gefährlichen Hund wie Bullterrier und Co. gedanklich mit einschließt, „sein normales Verhalten ausleben“ zu lassen, halte ich für grob fahrlässig, auch wenn mir bewusst ist, dass kein Bullterrier von Geburt an gefährlich ist.
Ich halte der zuvor erwähnten jungen Frau und allen anderen meiner Kritiker zugute, dass sie wahrscheinlich nicht, oder nicht mehr wussten, über welche Hunde und ihre Resozialisierung ich in meinen Beiträgen eigentlich spreche.
Aber zurück zu meinen Beiträgen und der von mir verfolgten Absicht:
Nachdem ich mich habe von meinen KundInnen überzeugen lassen, mein Wissen und meine Erfahrungen zu veröffentlichen und zur Diskussion zu stellen, galt es noch einen entsprechenden Rahmen zu finden, um das Lesen auch ein wenig interessant und vielleicht sogar etwas witzig zu gestalten. Dazu folge ich den Empfehlungen eines Kommunikationsexperten und versuche, das trockene Fachwissen immer möglichst in eine assoziative Rahmengeschichte einzubetten. Dass dabei manchmal – wie eine Leserin zuletzt so trefflich formuliert hat – „der Gaul mit mir durchgeht“ und ich es mit der Assoziation hier und da übertreibe (Einsteins Relativitätstheorie), passiert dabei sicherlich. Man möge mir verzeihen.
Und wenn der Eindruck entsteht, dass ich ALLE anderen Hundetrainer – wie Frau Anny A. sinngemäß in einer Kritik äußert – für unfähig halte, nur mich nicht, ist das wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass ich in meinen Beiträgen ausschließlich Fälle derjenigen HundehalterInnen verarbeite, die halt an eine(n) Hundetrainer(in) geraten sind, die ihren Job nicht gut beherrschen. Ich habe aber andererseits immer wieder betont, dass ich viele gute und kompetente HundetrainerInnen kenne, die einen tollen Job erledigen und unserer Branche alle Ehre machen.
Noch eine Bemerkung zum Zweck meiner Beiträge: Unter anderem versuche ich, ungeeignete Erziehungsmethoden zu entlarven, die zur Beseitigung von extremen Verhaltensauffälligkeiten eines Hundes ungeeignet und zum Scheitern verurteilt sind und meine Erkenntnisse und Erfahrungen zur Diskussion zu stellen. Das heißt, ich rechne auch damit, dass ich nicht ausschließlich auf uneingeschränkte Zustimmung stoße, wie ich es allein schon aus der Tatsache akzeptieren und erwarten muss, dass ich gegen den zuvor erwähnten Zeitgeist verstoße. Aber ich kann nicht akzeptieren, wenn meine Darstellungen ausschließlich pauschal und teilweise in beleidigender Form in Bausch und Bogen abgelehnt werden, ohne auch nur den Versuch einer Gegenargumentation zu unternehmen. Nicht ein einziger der ablehnenden Kommentare enthält bisher ein einziges vernünftiges Gegenargument. Warum nicht, wenn meine Darstellungen doch so falsch sein sollen? Ich würde mich über jede sachlich geführte Diskussion freuen und wäre der Letzte, der sich nicht korrigiert. Aber dann bitte in Form sachlicher und fachlich belegbarer Argumente. Behauptungen, ohne sie argumentativ zu belegen, nützen ausschließlich dem Ego des Kritisierenden.
Und noch eine allerletzte Bemerkung sei mir gestattet: Es wurde mir auch vorgeworfen, dass ich die Theorie der Hundeerziehung in meinen Beiträgen, ebenso wie in meinem Buch, zwar ausführlich erläutere, aber konkrete Handlungsanweisungen, wie diese umzusetzen sei, nicht darstelle und dafür nur Kohle haben wolle. Dazu gebe ich zu bedenken, dass es mir in meinen Beiträgen um den konkreten Erziehungsablauf auch gar nicht gehen kann, da es sich dabei doch wohl verständlicherweise um mein Know-how handelt. Ich würde quasi das Ziel meiner Gewerbeanmeldung ad absurdum führen. Und mir vorzuwerfen, ich wolle mit meinem Beruf Geld verdienen, ist schon etwas befremdlich. Dann müsste man auch dem Bäcker vorwerfen, seine Brötchen zu verkaufen, nur um seine Familie zu ernähren. Der Zweck der Veröffentlichung meiner Beiträge besteht vielmehr darin (neben dem, was ich bereits beschrieben habe), meinen LeserInnen und potentiellen KundInnen Hintergrundinformationen zu meinen theoretischen Ansätzen der Hundeerziehung zu vermitteln, so dass sie auf dieser Grundlage selbst entscheiden können, ob es Sinn macht, zum Zwecke der Erziehung ihrer verhaltensauffälligen Hunde zu mir Kontakt aufzunehmen.
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